Geld oder Liebe?
(sm) Im Forum der Kampagne „Diakonie. Gut beraten“ erklärt der Hamburger Professor Michael Lindenberg
das sozialpädagogische Jahrhundert für beendet.
Und er spricht über die Folgen für professionelle Beratung.
Michael Lindenberg argumentiert gegen den Versuch, den Wert Sozialer Arbeit nach wirtschaftlichen Kriterien zu messen, wie es die Vertreterinnen eines „Social Return on Investment“ tun. Zu ihnen gehört die Nürnberger Soziologin Britta Wagner, die im Forum der Kampagne „Diakonie. Gut beraten“ einen Perspektivenwechsel gefordert hatte. Sie fordert die im Sozialen Bereich Arbeitenden auf, den ökonomischen Wert ihrer Arbeit herauszustellen. Wo bleibt bei einer so verstandenen Sozialen Arbeit die Liebe?, fragt Michael Lindenberg in seinem Beitrag für das Forum. Hier können Sie ihn lesen.
Die Soziale Arbeit erlebte in den letzten 40 bis 50 Jahren einen ungeahnten Aufstieg. Heute arbeiten mehr Menschen im sozialen Bereich als in der Autoindustrie. Wir sprechen vom „sozialpädagogischen Jahrhundert“.
Wir selbst in der Sozialen Arbeit wollen es auch so. Manchmal erzähle ich den Studierenden diesen Witz. Ein Sozialpädagoge steigt ins Taxi. „Wohin soll es gehen?“, fragt der Fahrer. „Das ist egal, ich werde überall gebraucht.“
Jeder ist sich selbst der Nächste, sagt der Zeitgeist
Doch während die Soziale Arbeit geradezu boomt, verliert ihre sozialwissenschaftliche Sicht an Bedeutung. Diese Sicht hat durchgesetzt, den Menschen in seinen gesellschaftlichen
Zusammenhängen wahrzunehmen und menschliches Handeln als sozial motiviert zu erkennen. Dagegen stand das Bild vom Menschen, der auf sich allein gestellt durchs Leben geht, getrieben von der Suche nach seinem Vorteil: der homo öconomicus.
Auch Teile der Sozialwissenschaft schwenken auf diesen Kurs ein und versuchen, den Wert
Sozialer Arbeit auf Heller und Pfennig zu berechnen. „Social Return on Investment“ bedeutet den Sieg der Ökonomie über das Soziale. In der Schweiz wurde mal berechnet, was es dem Staat und der Wirtschaft bringt, wenn Eltern ihre Kinder in der Kita unterbringen können,
um in der Zeit zu arbeiten. Die Kosten der Kita stellten die Wissenschaftler gegen den durch
die Berufstätigkeit erwirtschafteten Mehrwert.
Doch bringen wir unsere Kinder in die Kita, damit Mama und Papa mehr arbeiten können?
Wir wollen doch, dass die Kinder sich entfalten, sich entwickeln und zu sich selbst
kommen können.
Nicht alles ist berechenbar
Es geht um Profit – notwendigerweise. Auf der Suche nach neuen Märkten nimmt dieser Sog die menschlichen Beziehungen gefangen. Doch wir sind soziale Wesen, die sich über ihre sozialen Kontakte verwirklichen und wohl nicht dadurch, dass wir er Geld hecken. Darum müssen wir in der Sozialen Arbeit diesen marktfreien Raum gegen die Ökonomen verteidigen. Ich glaube auch nicht, dass wir etwas anders können. Wenn wir diese Verteidigung schaffen, haben wir schon mehr als genug getan. Und mehr kann auch nicht gewollt sein. Mich hat beeindruckt, was in den Flugzeugen geschah, die am 11. 9. 2001 in die New Yorker Twin-Towers gesteuert wurden. Die Fluggäste wussten, sie leben nur noch wenige Minuten.
Sorgten sie sich um ihr Geld, verfolgten sie Aktienkurse? Nein, sie haben Botschaften der Liebe gesendet.
Prof. Dr. Michael Lindenberg lehrt an der Evangelischen Fachhochschule für Soziale Arbeit und Diakonie des Rauhen Hauses in Hamburg.
Alle Beiträge im Forum auf der Kampagnen-Website
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